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Zwar kann die Geschichte gemäß politischer Absichten umgeschrieben werden, doch letztlich bleiben Tatsachen Tatsachen.
Prinzessin Irulan: Gespräche mit Muad'dib
Nachdem sie als angemessenen Vorwand angegeben hatte, dass sie mit Irulan am folgenden Abend eine Fremen-Zeremonie in Sietch Tabr besuchen wollte, bat Jessica ausdrücklich darum, dass Gurney Halleck ihren Ornithopter fliegen sollte. Da Alia mit mehreren neuen Anträgen vom letzten Landsraads-Treffen auf Kaitain beschäftigt war, ließ sie die beiden ohne irgendein Zeichen von Besorgnis ziehen.
Gurney bereitete gutgelaunt den Thopter vor und traf die beiden Frauen in einer Abflughalle, die normalerweise für Regierungsgeschäfte und Sicherheitsmissionen verwendet wurde. »Die Wachen haben uns diese Flugmaschine zugewiesen, Myladys. Ich habe mehrere Literjons Wasser, ein Fremkit und weitere Notvorräte eingeladen. Wir sind abflugbereit.«
Jessica hielt inne und blickte über die Schulter. »Wir nehmen stattdessen den dort, Gurney. Der gefällt mir besser. Du kannst die Checkliste selbst schnell genug durchgehen.« Jeder Thopter, den Alia ihnen zugewiesen hatte, würde vielleicht versteckte Abhörgeräte enthalten, und Jessica wollte nicht, dass jemand belauschen konnte, was sie zu enthüllen hatte.
Obwohl die unerwartete Änderung Gurney überraschte, rief er nach einem Helfer, um das andere Fluggerät bereitzumachen. Jessica warf ihm einen Blick zu und teilte ihm mit einem heimlichen Handzeichen in einer alten Atreides-Kriegssprache mit, dass er keine weiteren Fragen stellen sollte. Eine Wolke der Sorge verdüsterte das Gesicht des Mannes und ließ seine Inkvine-Narbe dunkel anlaufen, doch dann nahm er wieder seine beiläufige Haltung ein.
Die Mechaniker und die uniformierten Wachen wurden durch den plötzlichen Wechsel in Verwirrung gestürzt, aber Gurney scheuchte sie davon, lud zügig die Vorräte um, überprüfte den Treibstoffstand und testete die Kontrollsysteme, während Irulan und Jessica in der Abflughalle warteten. Die beiden Edeldamen wirkten fehl am Platze.
Als Gurney zufrieden war, öffnete er die Tür des Thopters und streckte eine Hand aus, um Irulan und Jessica an Bord zu helfen. Nachdem sie sich drinnen angeschnallt hatten, ließ er den Motor an, fuhr die Stummelflügel aus und aktivierte die Düsentriebwerke.
Der Thopter entfernte sich von der Zitadelle Muad'dibs und flog in das glitzernde Verkehrsmuster der Wüstennacht hinaus. Über ihnen standen beide Monde leuchtend und weit voneinander entfernt am Himmel. Gurney blickte durch die Plazscheibe des Cockpits geradeaus und steuerte die Maschine durch die thermischen Turbulenzen, die durch Temperaturstürze nach Sonnenuntergang ausgelöst wurden. Sie stiegen auf und flogen über die schroffe Barriere des Schildwalls.
Jessica holte tief und gedehnt Luft. »Ich wollte dich als Piloten, Gurney, weil ich dir absolut vertraue. Selbst wenn Duncan wieder der alte Duncan ist, hat Alia ihn doch zu sehr in ihren Bann geschlagen.« Sie sah zu Irulan hinüber, die gertenschlank und wunderschön war, aber keineswegs zerbrechlich wirkte. »Und ich bin mir nicht sicher, dass ich in jeder Beziehung Alias Zielvorstellungen teile. Für das, was ich euch beiden gleich verraten werde, verlange ich euer absolutes Stillschweigen. Alia darf auf keinen Fall erfahren, was ich euch mitteile.«
Obwohl Gurney sich aufs Fliegen konzentrierte, wirkte er besorgt. »Ich bin Ihnen immer treu ergeben, Mylady, aber es gefällt mir nicht, wenn eine Mutter solche Geheimnisse vor ihrer Tochter hat.«
Jessica seufzte. »Es sind Geheimnisse über meinen Sohn, und sie betreffen auch dich, Gurney. In Arrakeen gibt es zu viele Augen und Ohren, genau wie in Sietch Tabr. Wir brauchen etwas Zeit allein. Ganz allein.« Sie beugte sich vor und sprach ihm durch das Surren der beweglichen Flügel ins Ohr. »Such uns einen Platz zum Landen – einen Felsvorsprung, der nicht zu auffällig ist. Wenn ich anfange, will ich deine volle Aufmerksamkeit. Und es könnte etwas länger dauern.«
Gurney passierte bei seinem Flug über die offene Wüste mehrere niedrige Felskämme, schwarze Inseln im Sand, die ihm nicht geeignet erschienen. Schließlich wählte er eine Felsklippe aus, die weit genug abseits ihrer geplanten Flugroute lag. Er kreiste und hantierte mit den Armaturen. »Ich kann eine kleine Fehlfunktion bei einem der Triebwerke herbeiführen, damit das Thopter-Logbuch anzeigt, dass wir landen mussten, um Reparaturen vorzunehmen.«
»Gute Idee, Gurney.«
Er setzte auf der unebenen Oberfläche auf, wo sie völlig allein waren. »So, Mylady, ich hoffe, dieser Ort ist Ihnen genehm. Ich weiß von keinen Fremen-Vorratslagern oder offiziellen Sietchs in der Nähe. Dieser Ort ist zu klein, um irgendeinen Wert zu haben.« Seine glassplitterfarbenen Augen waren klar, aber Jessica sah das Erschrecken darin. Die Aussicht auf das, was sie ihm zu sagen hatte, erfüllte ihn nicht mit Vorfreude.
Jessica setzte ihre Nasenstöpsel ein, rückte ihre Gesichtsmaske zurecht und überprüfte die übrigen Vorrichtungen an ihrem Destillanzug. »Kommt, wir gehen auf die Felsen hinaus, weg von dem Thopter.« Sie konnte gar nicht vorsichtig genug sein. Ohne viele Worte gingen sie und ihre beiden Begleiter in die stille Wüstennacht hinaus.
Jessica führte sie zu einem geschützten dunklen Felsüberhang, von dem aus sie den Thopter noch sehen konnten, der wie ein großes, unschönes Insekt auf den Felsen hockte. Der Wind umflüsterte sie, während sie sich Sitzplätze auf dem harten Boden suchten. »Hier ist es gut«, sagte sie.
Irulan sammelte sich und wartete aufmerksam im Schutz der Felsen. »Ich bin begierig darauf, deine Erklärung dafür zu hören, dass du Bronso unentwegt verteidigst oder doch zumindest vor Kritik abschirmst.«
Gurney horchte auf. »Das wüsste ich ebenfalls gerne, Mylady, aber ich habe mich zurückgehalten und keine Fragen gestellt, wie Sie es sich von mir erbeten haben.«
»Ihr werdet die harte Wahrheit erfahren, die ich über Paul weiß, und ihr werdet erfahren warum ich – fälschlicherweise – zu dem Schluss gekommen bin, meinen eigenen Sohn töten zu müssen.«
Bevor ihre Zuhörer sich von ihrer Überraschung über das Gesagte erholen konnten, holte Jessica tief Luft, ordnete ihre Gedanken, und sprach offen zu ihnen. »Nach dem Tod von Graf Rhombur im Jahre 10.188 blieb das Haus Vernius dem Haus Atreides lange Zeit entfremdet. Doch zwölf Jahre später, während der schlimmsten Exzesse des Djihads, als Paul Imperator war, verschworen sich die Umstände und brachten die beiden Großen Häuser erneut zusammen ...«